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Istituto per la storia del Risorgimento italiano

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Erstanlage/prima edizione: 15.05.2004,
Stand/ultimo aggiornamento: 01.01.2016

Rezension 1 / Recensione 1:

Giuliana Ricci / Giovanna D'Amia (a cura di), La cultura architettonica nell'età della Restaurazione, Milano, Mimesis, 2002 (606 pp., con CD-ROM, 25.- €)

Rezension von Werner Daum

Übersicht über die Tagungsberichte und Rezensionen /
Sommario dei resoconti e delle recensioni

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Die Forschung zum italienischen Risorgimento (1796-1870) hat sich seit geraumer Zeit auf fruchtbare Weise vom Ballast des ursprünglichen Risorgimento-Konzeptes, der historiographischen Ideologie des liberalen italienischen Nationalstaats ab 1861, befreit. Die dadurch eröffnete Sicht auf das Risorgimento als Epoche, die eben keinen geradlinigen Weg zur unitarischen Nationalstaatsbildung bietet, hat den Blick für den vielfältigen und durchaus widersprüchlichen Prozess einer Nationsbildung geschärft, die ihren identifikatorischen Gehalt bis zur nationalen Einigung und noch weit darüber hinaus größtenteils aus partikularstaatlichem oder gar regionalem Bezugsrahmen schöpfte.1 Viel wurde inzwischen im Zeichen einer kulturgeschichtlich orientierten Nationalismusforschung über die kulturelle Erfindung der italienischen Nation und den Prozess der politischen und wirtschaftlichen Modernisierung in der Kernphase des Risorgimento, der Restauration ab 1814, geschrieben.2 In diesem Zusammenhang findet auch die Entwicklung einer übergreifenden architektonischen Kultur in der italienischen Staatenwelt der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Interesse der Risorgimento-Forschung, die sich hier jedoch meist mit einer disziplinären Begrenzung konfrontiert sieht, der Architekturgeschichte immer noch und ausschließlich als Teilbereich der Kunstgeschichte gilt.

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Eine nützliche Initiative zur Überwindung solcher Schranken und zur Integration von sozial-, kultur- und architekturgeschichtlichen Fragestellungen wurde mit dem hier anzuzeigenden Tagungsband und dem ihm zugrunde liegenden Forschungsprojekt unternommen. Es handelt sich um ein inhaltlich und geographisch weit gefasstes Projekt, das in den Jahren 1998-2000 unter der Federführung des Lehrgebietes für Konservation und Architekturgeschichte (Dipartimento di Conservazione e Storia dell'Architettura) am Politecnico di Milano und unter persönlicher Leitung von Prof. Giuliana Ricci durchgeführt wurde. Mit der Zuarbeit von Forschergruppen an den Universitäten Brescia, Padova, Pavia, Torino und Bologna hatte das Projekt die Entfaltung der Architektur in den oberitalienischen Territorien (Königreich Lombardo-Venetien, Trieste, Piemont, Modena) im unter diesem Aspekt noch wenig erforschten Zeitraum 1814-1859/69 zum Gegenstand. Leitende Fragestellung war hierbei die Entwicklung des institutionellen, normativen und theoretisch-intellektuellen Rahmens, innerhalb dessen Architektur stattfand. Die Permanenz oder der Wandel dieser Rahmenbedingungen wurde sodann mit dem jeweils vor Ort wirkenden Personal (Architekten, Ingenieure, Techniker, Künstler u.a.) in Beziehung gesetzt, dessen biographiegeschichtliche Erfassung – auch in Hinblick auf den Wandel der von ihm besuchten Ausbildungsinstitutionen – ebenfalls ein Anliegen des Projektes bildete. Weitere Fragestellungen betrafen überdies die Wirksamkeit von Einflüssen aus der deutsch-österreichischen und französischen Architekturkultur und den Eigenanteil einer spezifisch (ober-)italienischen Architektur. Erste Ergebnisse der Forschungen wurden in Form einer umfangreichen Dokumenten- und Materialsammlung bereits im Internet der interessierten Forschungsgemeinschaft zur Verfügung gestellt.3

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Die vorliegende Publikation vereinigt die Beiträge zu der abschließenden Projekttagung, die vom 22.-23. Oktober 2001 am Politecnico di Milano vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse und unter internationaler Beteiligung eine Zwischenbilanz über „Die Architekturkultur im Zeitalter der Restauration“ („La cultura architettonica nell'età della Restaurazione“) ermöglichte. Die Projektleiterin, Giuliana Ricci, und die Projektmitarbeiterin Giovanna D'Amia zeichnen als Herausgeberinnen des hinsichtlich seiner inhaltlichen Qualität und Quantität beeindruckenden Tagungsbandes. Das Buch wird eingeleitet durch eine allgemeine Einführung zur Konzeption des Projektes und der Tagung, in der Giuliana Ricci („Un'introduzione con particolare riferimento all'ambito milanese“, S. 11-36) aber bereits einige Ergebnisse zu einzelnen Fragenkomplexen wie dem institutionellen Rahmen, dem Ausbildungssystem, der technischen und künstlerischen Debatte in der Fachpublizistik, der Auseinandersetzung mit der Geschichte u.a. darlegt. Es folgen einige interessante Überlegungen über den Zusammenhang von Architektur- und politischer Geschichte bzw. über das Problem ihrer Zusammenführung in einem Modell gemeinsamer historischer Periodisierung, die Pier Giorgio Gerosa („Restaurazione o incubazione? Storia dell'architettura e pluralità delle periodizzazioni“, S. 37-41) dazu veranlassen, den Untersuchungszeitraum aus architekturgeschichtlicher Perspektive nicht so sehr als „Restauration“ traditioneller Werte und Inhalte, sondern als „Inkubation“ für die Entstehung und Ausbildung neuer technischer Erfindungen und künstlerischer Experimente zu kennzeichnen. Die darauf folgenden eigentlichen Tagungsbeiträge, immerhin 50 an der Zahl, sind sieben thematischen Sektionen zugeordnet und werden im Folgenden in einer exemplarischen Auswahl vorgestellt.

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Sektion I widmet sich den institutionellen und normativen Bedingungen („Amministrazione, uffici, istituzioni“) von Architektur im oberitalienischen Raum, mit Seitenblick aber auch auf den Kirchenstaat (Fabrizio Di Marco, Organizzazione e legislazione dei lavori pubblici nello Stato pontificio nell'ultimo decennio del pontificato di Pio VII [1814-1823], S. 137-142) und den Kanton Tessin (Nicoletta Ossanna Cavadini, L'istitutione dell'Ispettorato delle Publiche Costruzioni nel Cantone Ticino. Organizzazione e ruoli, S. 143-152). Zu Beginn klärt ein Rückblick über die öffentliche Straßen- und Wasserbaupolitik unter napoleonischer Herrschaft auf, die eine modellhafte Ausstrahlung auf die nachfolgende Epoche hatte (Giorgio Simoncini, L'intervento pubblico in Italia in periodo napoleonico: territori annessi all'Impero e Regno d'Italia, S. 45-55). Infolge der Restauration wurde die administrative Organisation des öffentlichen Bauwesens im habsburgischen Königreich Lombardo-Venetien ab 1816 schrittweise dem Wiener Hofbauamt eingegliedert, das als Zentralbehörde die Richtlinien für alle habsburgischen Territorien vorgab (Christian Benedik, The viennese Hofbauamt and its building departments in Lombardo Veneto, S. 57-61). Gegenüber der äußeren Einflussnahme ist aber auch die Entstehung einer eigenständigen lombardischen Wissenschaftskultur feststellbar, die durch eine einschlägige Fachpublizistik zur technischen und architektonischen Entwicklung beitrug (Agnese Dionisio, L'Amministrazione e la Direzione dei Lavori Pubblici in Lombardia nelle pagine della stampa specialistica, S. 101-105).

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Die technische, wissenschaftliche und künstlerische Ausbildung von Ingenieuren und Architekten ist Gegenstand der Sektion II („Formazione, abilitazione e tirocinio“). In diesem Zusammenhang lässt sich etwa für die Universität Padova eine Stagnation der Lehre in der Restauration nachweisen, deren Personal sich der notwendigen Erneuerung der Didaktik im Sinne einer Überwindung des Antagonismus zwischen Theorie und Praxis, zwischen Universität und Arbeitswelt verweigerte (Giuliana Mazzi, L'Università di Padova e la formazione professionale, S. 169-180). Ebenso scheiterten die Projekte zur baulichen Erneuerung und Erweiterung der dortigen Universität an den Widerständen der habsburgischen Verwaltung (Martina Frank, Per una storia dell'Università di Padova: i progetti per una nuova sede e la vicenda di un concorso, S. 199-210). Dagegen informieren neuere Archivforschungen über Initiativen zur Reform der Lehre an der Akademie der Schönen Künste Venedigs (Tiziana Serena, La riforma didattica del corso per gli ingegneri architetti all'Accademia di belle arti di Venezia [1851-1856], S. 181-190).

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Sektion III zeichnet im Schaffen einiger für ihre Region herausragender Architekten den vorherrschenden Spannungsbogen zwischen Theorie und beruflicher Praxis nach („La professione tra teoria e pratica“). Ein indirektes Panorama der Inhalte, welche die lombardischen Architekturstudiengänge der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kennzeichneten, dokumentiert der Buchbestand des Architekturkabinetts an der Universität Pavia, der sich der Lehre des Architekturdozenten Giuseppe Marchesi verdankt (Marica Forni, Note sulla raccolta libraria di Giuseppe Marchesi e la dotazione del Gabinetto di Architettura dell'ateneo pavese, S. 253-261). Die Sektion bietet außerdem eine signifikante Erweiterung des bisherigen geographischen Rahmens auf die süditalienische Architekturkultur der napoleonischen Epoche und der Restauration. Diese verbindet sich wesentlich mit dem Architekten Pietro Valente (1794-1859), der 1815 zwar erfolglos am Wettbewerb für die Kirche San Francesco di Paola, dem Monument der Restauration in Neapel, teilnahm, dann aber für Jahrzehnte die Entwicklung und Innovation der Architektur im bourbonischen Königreich theoretisch und praktisch beeinflusste. Die Darstellung des Lebenswerkes Valentes, der etwa ab 1826 am Bau der Villa Acton und 1830 an der Begräbniskonstruktion für den Minister Luigi de' Medici mitwirkte, verweist in plausibler und exemplarischer Weise auf die Berührungspunkte, die sich zwischen Architektur-, Sozial- und Kulturgeschichte freilegen lassen (Fabio Mangone, Pietro Valente: Un professionista-intellettuale nella Napoli della Restaurazione borbonica, S. 301-309).

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Mit den Szenarien der zeitgenössischen Architekturdebatte (Sezione IV: Scenari del dibattito sull'architettura) wendet sich der Tagungsband den Kunstrichtungen und Medien zu, die wie etwa die Perspektiv- (Giovanna D'Amia, L'occhio e la ragione. Architetti e pittori prospettici nella Milano della Restaurazione, S. 345-363) und Historienmalerei (Alessandra Scappini, Pietro Selvatico, Camillo Boito e la pittura storica a Firenze alla metà dell'Ottocento, S. 417-432) oder die Fotografie (Roberto Cassanelli, Luigi Sacchi e le origini della fotografia d'architettura in Italia, S. 385-394) und das Museumswesen (Davide Tolomelli, Per la storia della museografia nell'età della Restaurazione: lo Stabilimento di belle arti del marchese Malaspina a Pavia, S. 401-412) die Entwicklung der Architektur beeinflussten. Besonderes Gewicht fiel hierbei der Fachpublizistik zu, die von einem äußerst regen, auch spezialisierten Verlagswesen vornehmlich in Mailand hervorgebracht wurde, wie eine akkurate Untersuchung der Veröffentlichungen in Lombardo-Venetien 1815-1866 aufzuzeigen vermag, die einmal mehr die Perspektive von der Architekturgeschichte zu anderen historischen Teildisziplinen wie der Presse- und Buchhandelsgeschichte erweitert (Paola Cordera, L'editoria ottocentesca sull'architettura, S. 335-343).

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Als einziger Abschnitt des Bandes ermöglicht Sektion V eine transnationale Vergleichsperspektive, da hier die Städtebaupolitik („Strategie urbane e nuove funzioni architettoniche“) nicht nur in Mailand (Marco Biraghi, La Galleria De Cristoforis a Milano: cultura e società, S. 465-480) und Genua (Ilaria Forno, Tra centro e periferia: l'apertura di strada Carlo Felice a Genova e il ruolo del Consiglio d'Ornato, S. 499-512), sondern auch in Paris (Pierre Pinon, L'échec du plan d'alignement de Paris sous la restauration et la monarchie de Juillet et les origines de la percée ‚haussmannienne', S. 435-440) und auf Korfu (Guido Zucconi, Corfù britannica. Architettura e strategie urbane nella piccola capitale dello stato ionio [1814-1864], S. 441-450) dargestellt werden. Die Sektion fokussiert auf den Zusammenhang von Architektur- und Sozialgeschichte und auf die Herstellung sozialer Kontrolle und politischer Herrschaft mittels städtebaulicher Strategien, was etwa auch am Anteil der Städtebaupolitik an den südamerikanischen Staatsbildungen nach den Unabhängigkeitsrevolutionen um 1820 nachweisbar ist: So wurde der institutionelle und politische Wandel bewusst durch eine Umgestaltung des städtischen Raumes – z. B. in der neuen nationalen Hauptstadt Buenos Aires – visualisiert und konsolidiert (Fernando Aliata, Gestion urbana y architectura en el Buenos Aires posrevolucionario [1821-1835], S. 451-464).

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Sektion VI („Sviluppo territoriale: nuove strade nel Lombardo Veneto“) widmet sich der territorialen Erschließung des habsburgischen Königreichs Lombardo-Venetien durch Straßenbaumaßnahmen vor allem unter quellenkritischer Perspektive (Maria Antonietta Breda, Documenti del Fondo Genio Civile all'Archivio di Stato di Milano sulle strade del Lario orientale, Valtellina e Valchiavenna, dal 1804 al 1860, S. 551-560). Die abschließende Sektion VII („Innovazione tecnologica e voci del cantiere“) beschäftigt sich mit technologischen Erneuerungen, die etwa im Kanalbrückenbau Venedigs in der Restauration feststellbar sind (Giulio Lupo, Neville e i suoi ponti in ferro sul Canal Grande di Venezia. Innovazioni tecnologiche, affari e trasformazioni urbane, S. 563-582). Der letzte Beitrag stellt ein Teilprojekt vor, das die Baupraxis in Lombardo-Venetien mittels einer computergestützten Analyse der technischen Ausdrücke im zeitgenössischen Dialektwörterbuch von Francesco Cherubini, Vocabolario milanese-italiano, Milano 1839-1856, untersuchte (Emanuela Carpani / Stefano Pilato, Voci proprie delle arti ..., S. 591-606). Ergebnis ist die Digitalisierung der entsprechenden Wörterbucheinträge in Form einer CD-ROM, die den technischen Wortschatz der Epoche durch mehrere Suchoptionen erschließt und dem Tagungsband beiliegt.

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Der Tagungsband wird durch zahlreiche Abbildungen illustriert, die Fotografien, Baupläne und Skizzen der Epoche reproduzieren. Auf eine Erschließung der Einzelbeiträge durch ein abschließendes Register wurde leider verzichtet. Auch bleibt die Leserschaft – in Ermangelung einer stringenteren Anbindung der Einzelbeiträge an die übergreifenden Fragestellungen des Projektes und eines abschließenden vergleichenden Resümees – zu ihrer Orientierung allein auf die allerdings prägnante und informative Einführung der Projektleiterin angewiesen. Giuliana Ricci ist freilich mit der Tagung und ihren vorliegenden Ergebnissen ein beachtliches Panorama der italienischen Architekturgeschichte der Restauration gelungen, über das die weitere Forschung, auch die des Risorgimento, nicht mehr hinweggehen kann, ohne sich zu dessen Berücksichtigung und Vertiefung aufgerufen zu fühlen.


Anmerkungen
  1. Zum Wandel des Konzepts des Risorgimento von einer Legitimationsideologie der liberalen Elite des italienischen Nationalstaats zu einem Periodisierungsbegriff siehe Werner Daum, Das italienische Risorgimento 1796-1915. Eine Einführung, Abs. 5.      Zurück in den Text

  2. Zur neueren Geschichtsschreibung über das italienische Risorgimento: Werner Daum, Neue Perspektiven der Risorgimento-Forschung im Italien der ‚Zweiten Republik‘ 1992-2002.      Zurück in den Text

  3. Die zum Zeitpunkt der Niederschrift unter http://restaurazione.cilea.it zugängliche Datenbank ist leider nicht mehr verfügbar.      Zurück in den Text



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Werner Daum, Rezension über Ricci / D'Amia (a cura di), La cultura architettonica,
in: www.risorgimento.info/besprechungen3a.htm
Erstanlage / prima edizione: 15.05.2004,
Stand / ultimo aggiornamento: 01.01.2016
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